Dienstag, 22. Januar 2008

Ballvergnügen in der Stadthalle


Wer meint, dass jeder Ball rund ist und ein Spiel 90 Minuten dauert, war noch nie auf einem Abschlussball: Sonst wüsste er, dass ein Ball ein Kunstwerk aus kunstvoll inszenierten Höhepunkten sein kann und mindestens ein halbes Jahr dauert, für die Klasse 10a unserer Schule arrangiert von der Tanzschule Jahn.

Wie bei jedem Spiel ist das Training vorher nicht ganz leicht, wenn durch Anstrengung ausgeglichen werden muss, was an tänzerischem Genius fehlt. Schon die ersten Tanzstunden lassen ahnen, dass manche mühelos über das Parkett zu schweben scheinen, während man selbst mühsam die Schritte zählt. Aber wer wollte deswegen gleich aufgeben? Wozu gibt es die Übungsabende und unzählige Fachgespräche im Freundeskreis? Schließlich weiß jeder, worum es geht - um das große Ereignis in der Stadthalle, wenn Eltern und Verwandte da sind, wenn man im Blitzlicht des Fotografen steht, wenn man einen Partner führt oder geführt wird – mit Anzug und Fliege, mit Ballkleid und kunstvoll gesteckter Frisur.

Ins Schwitzen kommt deshalb schon vor dem Anpfiff, wer Angst hat, ins Abseits zu geraten, weil Friseur oder Schneider versagten. Deshalb gehört zur Vorbereitung für das Spiel die gründliche Wahl der passenden Kleidung und mindestens eine Probefrisur. Lieber ein weit ausladendes Ballkleid aus luftigem Tüll oder etwas eng Anliegendes, Kariertes, das zwanzig Zentimeter über dem Knie aufhört? Ein traditionell schwarzes Sakko oder einen weißen Anzug? Modetechnisch gibt ein Ball alles her, was auf den Kleiderbügel passt, und das ist gut so, schließlich wollen die Zuschauer bei jedem Spiel etwas sehen.

Kurz vor Anpfiff in der Stadthalle müssen die Mannschaften aufgestellt werden. Für die Tanzdebütanten ist es Zeit, sich im Foyer zu treffen, für das Gruppenfoto zu posieren und für den Einzug bereit zu stehen, derweil die mitgebrachten Eltern und Verwandten sich bei Tisch beschnuppern und die Getränke ordern. In Frage kommen Sekt und Wein, natürlich flaschenweise, und Mut zeigt, wer zum Weißbier greift.

Und dann der erste Vorstoß ins freie Mittelfeld: Zur Fledermausquadrille von Johann Strauß kommt die Eröffnung des Balls mit drei Touren einer Francaise, angesagt vom Maître de Plaisir des Abends, dem Tanzmeister Jahn persönlich, der vom erhöhten Musikpodium aus nicht ohne Stolz und fest wie ein Fels in der Brandung über das Gewoge seine Schützlinge hinwegblickt: Erst wer in der Kunst des Gesellschaftstanzes ausgeformt ist, ist ein wahrer Mensch.


Ring frei zur nächsten Runde: Eltern-Schüler-Tanz. Eine kunstvolle Regie führt Mutter der Partnerin mit dem Tanzpartner der Tochter zusammen und Vater des Partners mit der Partnerin seines Sohnes. Da Größe und Umfang der Beteiligten höchst variabel sein können, ergeben sich mitunter Konstellationen, die einiges an sportlichem Geschick erfordern, aber wozu gab es den Eltern-Übungsabend? Wer auf der Bank sitzt, auch später noch, wenn die Schülertanzrunden laufen, hat ausgiebig Gelegenheit, die Spielzüge zu studieren. Schnell zeigt sich, dass es Profis mit Länderspielerfahrung gibt. Wer schon den x-ten Tanzkurs hinter sich hat, düpiert alle mit schwindelerregenden Figuren und schafft es, selbst im dichtesten Getümmel fünf Quadratmeter Tanzfläche freizukämpfen.

Damit man sich nach jedem Vorstoß auf die Tanzfläche erholen kann, gibt es die Bar, das Buffett und vor allem ein Unterhaltungsprogramm, das schnell den Preis für die Eintrittkarten vergessen lässt: Lateinamerikanische Formationen, Standardformationen, Breakdance, Latin-Show, Disco-Mix und Akrobatik – die Tanzschule Jahn ließ für ihr Publikum nichts aus, was man nicht auch sofort im Fernsehen zeigen könnte und sorgte für ein echtes Feuerwerk, das den Abend auch für Nicht-Tänzer erlebenswert machte – sollten sich welche in die Stadthalle verirrt haben.

So bedauerten viele, dass der Abpfiff um Punkt halb eins erfolgte, als die Tanzkapelle des Abends ihre Instrumente aus der Hand legte. Doch was spricht gegen eine private Nachspielzeit? Manches Paar zog es zur Verlängerung in die Lokale der Innenstadt und noch am nächsten Morgen war in der Schule zu sehen, wer mitgespielt hatte: Wer im prächtigen Ballkostüm erschien, zeigte allen: Man war dabei gewesen.

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